Anforderung von Mietverträgen durch das Finanzamt
Anforderung von Mietverträgen durch das Finanzamt (BFH, Urteil vom 13. 8. 2024, Az. IX R 6/23)
Das Finanzamt kann von dem Vermieter die Vorlage der Mietverträge verlangen.
Eine Einwilligung der Mieter ist hierfür nicht erforderlich. Es handelt sich zwar um eine Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Vermieter, diese ist jedoch durch Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO gerechtfertigt, da sie zur Erfüllung seiner rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist.
Die Übersendung der Mietverträge an das Finanzamt stellt eine Zweckänderung i. S. des Art. 6 Abs. 4 DSGVO dar. Sie ist jedoch gem. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchstab. e i. V. § 29 b AO zulässig.
Der Vermieter ist gem. Art. 13 Abs. 3, 14 Abs. 3 DSGVO verpflichtet, die Mieter über die Weitergabe der Mietverträge zu informieren.
BFH, Urt. v. 13.8.2024, IX R 6/23
Der Fall:
Mit seiner Einkommensteuererklärung legte der Kläger für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eine Aufstellung der Mieteinnahmen vor. Im Rahmen der Bearbeitung der Erklärung forderte das Finanzamt den Kläger auf, Kopien der Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen einzureichen. Darauf legte der Kläger eine Aufstellung der Mieteinnahmen und der Betriebskosten für die jeweiligen Wohnungen vor, in der er die Namen der Mieter geschwärzt hatte. Die angeforderten Mietverträge und Nebenkostenabrechnungen legte er jedoch nicht vor.
Gegen die erneute Aufforderung des Finanzamts gem. §§ 90, 93, 97 Abgabenordnung (AO) erhob der Kläger nach erfolglos durchgeführtem Einspruchsverfahren Klage, die von dem Finanzgericht abgewiesen wurde (EFG 2023, S. 604). Mit der hiergegen eingelegten Revision machte der Kläger geltend, die Vorlage der Mietverträge sei zur Überprüfung der Einkünfte weder erforderlich noch geeignet. Aus den Mietverträgen würden sich die Sollmieten ergeben, während der Besteuerung die tatsächlich gezahlten Ist-Mieten zugrunde zu legen seien. Auch die Namen der Mieter seien für die Ermittlung der Einkünfte ohne Bedeutung. Schließlich würde er durch die verlangte Vorlage der Mietverträge gegen die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verstoßen.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH)
Der BFH hat die Revision durch Urteil v. 13.8.2024 mit folgender Begründung zurückgewiesen: Nach Art. 97 Abs. 1 Satz 1 AO haben die Beteiligten dem Finanzamt auf Verlangen Bücher, Aufzeichnungen, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen. Aufgrund dieser Vorschrift durfte das Finanzamt die Vorlage der Mietverträge und der Nebenkostenabrechnungen verlangen. Nur aus den Mietverträgen lässt sich entnehmen, welche Räumlichkeiten dem jeweiligen Mieter überlassen sind. Die Höhe der Sollmiete ist von Bedeutung, um zu entscheiden, ob die Grenze des § 21 Abs. 2 EStG unterschritten ist. Die Namen der Mieter sind erforderlich, um erkennen zu können, ob möglicherweise ein Angehörigenverhältnis vorliegt.
Der Kläger war an der Offenlegung der Mieterdaten auch nicht durch die DSGVO gehindert. Bei den Daten der Mieter handelt es sich allerdings um personenbezogene Daten i. S. des Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Die Offenlegung dieser Daten stellt eine Verarbeitung nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO dar. Unabhängig davon, ob es sich um eine automatisierte oder nichtautomatisierte Verarbeitung handelt, ist die Verarbeitung jedenfalls nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. c DSGVO gerechtfertigt. Denn die Verarbeitung durch den Vermieter war erforderlich, um seine rechtliche Verpflichtung aus § 97 AO zu erfüllen.
Allerdings stellt die Offenlegung der Mieterdaten gegenüber dem Finanzamt eine Zweckänderung dar, da die Daten zur Durchführung der Mietverträge erhoben wurden. Diese Zweckänderung ist jedoch durch Art. 6 Abs. 4 DSGVO gerechtfertigt, da sie auf einer gesetzlichen Pflicht beruht und dem Schutz eines der in Art. 23 Abs. 1 DSGVO genannten Ziele dient, sowohl der Steuererhebung als auch der Bekämpfung des Steuerbetrugs.
Das Finanzamt war auch berechtigt, die personenbezogenen Daten aus den Mietverträgen zu verarbeiten. Die Verarbeitung personenbezogener Daten ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der in Art. 6 Abs. 1 DSGVO genannten Bedingungen erfüllt ist. Dies ist nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. e DSGVO der Fall, wenn die Verarbeitung für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen worden ist. Die Rechtsgrundlage hierfür hat der Gesetzgeber mit § 29 b AO geschaffen.
Stellungnahme
Die Entscheidung des BFH vom Prinzip her sicherlich richtig. Zu beachten bleibt jedoch, dass die Anforderung von Mietverträgen und Nebenkostenabrechnungen die Ausnahme bleiben muss. Eine regelmäßige Anforderung dieser Unterlagen ohne besonderen Anlass würde dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit widersprechen. Denn aus den Mietverträgen lässt sich nur die Anfangsmiete entnehmen, nicht aber die aktuelle Miete. Hierzu wäre die Vorlage der Mieterhöhungen erforderlich. Ob ein Mietverhältnis mit einem Angehörigen vorliegt, lässt sich aus dem Namen des Mieters nicht ohne Weiters entnehmen. Bereits in dem Erklärungsvordruck wird der Vermieter direkt gefragt, ob ein Mietverhältnis mit einem Angehörigen vorliegt.
BFH, Urt. v. 13.8.2024, IX R 6/23
Art. 6 DSGVO Rechtmäßigkeit der Verarbeitung
(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:
a. Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;
b. die Verarbeitung ist für die Erfüllung eines Vertrags, dessen Vertragspartei die betroffene Person ist, oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen erforderlich, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen;
c. die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;
d. die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen;
e. die Verarbeitung ist für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde;
f. die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.
(4)
- Beruht die Verarbeitung zu einem anderen Zweck als zu demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten erhoben wurden, nicht auf der Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer Rechtsvorschrift der Union oder der Mitgliedstaaten, die in einer demokratischen Gesellschaft eine notwendige und verhältnismäßige Maßnahme zum Schutz der in Artikel 23 Absatz 1 genannten Ziele darstellt, so berücksichtigt der Verantwortliche – um festzustellen, ob die Verarbeitung zu einem anderen Zweck mit demjenigen, zu dem die personenbezogenen Daten ursprünglich erhoben wurden, vereinbar ist…
Abgabenordnung (AO)
§ 29 b Verarbeitung personenbezogener Daten durch Finanzbehörden
(1) Die Verarbeitung personenbezogener Daten durch eine Finanzbehörde ist zulässig, wenn sie zur Erfüllung der ihr obliegenden Aufgabe oder in Ausübung öffentlicher Gewalt, die ihr übertragen wurde, erforderlich ist.
Ansprechpartner
Bundesverband
Rechtsberater Referat Steuern
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