Der Erwerb eines Anteils einer Erbengemeinschaft steht nicht dem anteiligen Erwerb eines Grundstücks der Erbengemeinschaft gleich. Die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 4 EStG, der die Anschaffung oder Veräußerung einer Beteiligung an einer Personengesellschaft der Anschaffung oder Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleichstellt, findet nach Ansicht des IX. Senats keine Anwendung auf Erbengemeinschaften, die keine Personengesellschaften sind.
Nach § 23 EStG ist der Gewinn aus dem Verkauf eines Grundstücks steuerpflichtig, wenn der Verkäufer das Grundstück innerhalb der letzten 10 Jahre angeschafft hat. Ein unentgeltlicher Eigentumsübergang wie bei einer Erbschaft, einer Schenkung oder im Fall der Realteilung stellt keine Anschaffung dar. In diesen Fällen ist zur Berechnung des Zeitraums von 10 Jahren auf die Anschaffung durch den Rechtsvorgänger abzustellen.
Der Kläger war aufgrund eines Erbfalls zu 52 Prozent Mitglied einer Erbengemeinschaft, zu deren Vermögen ein Grundstück gehörte. Am 20.10.2017 erwarb er die übrigen Erbanteile hinzu. Zugleich erfolgte eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft. Das im Nachlass befindliche Grundstück verkaufte der Kläger am 9.2.2018.
Das Finanzamt unterwarf den erzielten Gewinn der Einkommensteuer, da es den Erwerb der übrigen Erbanteile als Anschaffung des Grundstücks ansah und deshalb der Ansicht war, es handele sich um ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft.
Die hiergegen erhobene Klage blieb erfolglos. Auf die Revision des Klägers hin gab der IX. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) der Klage statt (BFH, Urt. V. 26.9.2023 – Az. IX R 13/22). Nach Ansicht des BFH führt der entgeltliche Erwerb einer gesamthänderischen Beteiligung nicht zu dem anteiligen Erwerb der im Gesamthandsvermögen vorhandenen Wirtschaftsgüter. Denn eine gesamthänderische Beteiligung vermittelt keinen sachenrechtlich fassbaren Anteil und damit auch kein Verfügungsrecht des einzelnen an den Gegenständen des Gesamthandsvermögens.
Dem steht die Regelung in § 39 Abs. 2 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift werden Wirtschaftsgüter, die mehreren zur gesamten Hand zustehen, den Beteiligten anteilig zugerechnet, soweit eine getrennte Zurechnung für die Besteuerung erforderlich ist. Eine solche getrennte Zurechnung ist aber nur erforderlich, wenn die Gesamthand selbst, die nicht Schuldnerin der Einkommensteuer ist, den Besteuerungstatbestand erfüllt. Bei Anschaffungs- oder Veräußerungsgeschäften von einzelnen Gesellschaftern oder Gemeinschaftern ist dagegen eine Zurechnung nach Bruchteilen nicht erforderlich.
Damit widerspricht der BFH der Auffassung des BMF, wie sie in dem Schreiben vom 14.3.2006, BStBl. 2006, S. S. 253, Rz. 43) zum Ausdruck kommt.