Vorfälligkeitsentschädigung

Unwirksamkeit der von der Bank verwendeten Vertragsklausel

Die Vereinbarung über eine Vorfälligkeitsentschädigung ist unwirksam, wenn bei Berechnung des Zinsschadens nicht berücksichtigt wird, dass gem. § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ein Darlehen, dessen Konditionen festgeschrieben sind, nach Ablauf von 10 Jahren mit einer Frist von sechs Monaten gekündigt werden kann.

Bankkunden, die eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt haben, können diese in solchen Fällen innerhalb von drei Jahren zurückfordern.

BGH, Urt. v. 3.12.2024, XI ZR 75/23

Der Fall:

Die Kläger schlossen im Dezember 2018 und im Februar 2019 zwei Immobilien Darlehensverträge über Darlehen von 170.000 bzw. 20.000 Euro zum Kauf eines Zweifamilienhauses. Der vertragliche Zinssatz war jeweils für 10 Jahre festgeschrieben. Auf der Grundlage der vereinbarten Konditionen ergab sich eine voraussichtliche Vertragslaufzeit von 20 Jahren und 8 Monaten beziehungsweise 14 Jahren und 3 Monaten.

Mitte des Jahres 2020 entschieden sich die Darlehensnehmer für eine Veräußerung des Grundstücks und wollten die Darlehen vorzeitig zurückzahlen. Daraufhin forderte die Bank von ihnen eine Vorfälligkeitsentschädigung von insgesamt 15.000Euro. Die Kläger zahlten zunächst einen Teil der Summe und klagten anschließend auf Rückzahlung mit der Begründung, die vertraglichen Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung seien nicht klar und verständlich.

Die betreffende Klausel in den beiden Darlehensverträgen lautete wie folgt: „Der Zinsverschlechterungsschaden als der finanzielle Nachteil aus der vorzeitigen Darlehensablösung, das heißt, die Differenz zwischen dem Vertragszins und der Rendite von Hypothekenpfandbriefen mit einer Laufzeit, die der Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens entspricht.“

Die Entscheidung des BGH

Der BGH gab der Klage statt, da die verwendete Klausel zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Aus der Formulierung, dass zur Berechnung des Schadens auf die Restlaufzeit des abzulösenden Darlehens abzustellen sei, könne gefolgert werden, dass zur Berechnung des Zinsschadens auf die gesamte Vertragslaufzeit abzustellen sei, obwohl die Zinserwartung der Bank nur für maximal zehn Jahre und sechs Monate geschützt sei.

Rechtlicher Hintergrund

Einen Darlehensvertrag mit einem veränderlichen Zinssatz kann der Darlehensnehmer gem. § 489 Abs. 2 BGB jederzeit kündigen, er muss lediglich die Kündigungsfrist von 3 Monaten einhalten. Einen Darlehnsvertrag mit einer Zinsbindung kann der Darlehensnehmer grundsätzlich nur in den Fällen des § 489 Abs. 1 BGB kündigen, wenn entweder der Zeitraum für die Zinsbindung abgelaufen ist oder aber mindestens 10 Jahre nach Auszahlung des Darlehns vergangen sind. Nach § 490 BGB steht dem Darlehensnehmer außerdem in bestimmten Fällen ein außerordentliches Kündigungsrecht zu. Gem. § 490 Abs. 2 BGB hat der Darlehensnehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht, wenn seine berechtigten Interessen dies gebieten. Der geplante Verkauf einer Immobilie stellt ein solches berechtigtes Interesse dar. Wegen der vorzeitigen Beendigung des Immobiliendarlehens ist der Darlehensnehmer jedoch gem. § 490 Abs. 2 Satz 3 BGB verpflichtet, der Bank den durch die vorzeitige Kündigung des Darlehens entstehenden Zinsschadens zu ersetzen, die sog. Vorfälligkeitsentschädigung. Wenn die Zinsen seit der Vergabe des Darlehens gesunken sind, und die Bank das Geld weniger gut anlegen kann, entsteht ihr in Höhe der Differenz ein Schaden.

Allerdings verlangt Artikel 247 § 7 Abs. 2 Nr. 1 EGBGB, dass der Darlehensvertrag klar und verständlich formulierte Informationen über Voraussetzungen und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung enthält. Erfüllt die Bank diese Voraussetzungen nicht, führt dies gem. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB zum Verlust des Anspruchs auf die Vorfälligkeitsentschädigung. Diese Voraussetzungen wurden durch die von der Bank verwendete Formulierung nicht erfüllt. Denn in den Verträgen hieß es, dass sich aufgrund der vereinbarten Konditionen eine voraussichtliche Vertragslaufzeit von 20 Jahren und 18 Monaten bzw. 14 Jahren und 3 Monaten ergeben würde. Im Fall einer vorzeitigen Rückzahlung der Darlehen könne die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung beanspruchen, bei deren Berechnung die vereinbarten Zinsen den Guthabenzinsen aus Hypothekenpfandbriefen für diesen Zeitraum gegenübergestellt werden könnten. Dabei bleibe unberücksichtigt, dass nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB ein Darlehen, dessen Konditionen festgeschrieben sind, nach Ablauf von 10 Jahren seit Auszahlung des Darlehens mit einer Frist von 6 Monaten gekündigt werden kann. Zur Berechnung des Zinsschadens dürften den vereinbarten Zinsen deshalb nur die Guthabenzinsen der Bank für diesen Zeitraum gegenübergestellt werden.

Konsequenzen

Die vom BGH beanstandete Klausel ist offenbar insbesondere von den Volks- und Raiffeisenbanken verwendet worden. Enthält der Darlehensvertrag eine solche Klausel, kann die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.

Haben Darlehensnehmer in der Vergangenheit eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt, können sie die Rückzahlung verlangen, solange noch keine Verjährung eingetreten ist. Da der Anspruch innerhalb von 3 Jahren nach Ablauf des Jahres verjährt, in dem die Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt worden ist, können im Jahre 2025 die Zahlungen zurückgefordert werden, die nach dem 1.1.2022 geleistet worden sind.

Ansprechpartner

Bundesverband

Rechtsberater Referat Steuern

Der Beitrag Vorfälligkeitsentschädigung erschien zuerst auf IVD.

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