„Wohnungspolitik braucht Markt und gute Regulierung“

Im Dialog mit Prof. Dr. Ramón Sotelo

Welche Wohnungspolitik muss eigentlich in einer sozialen Marktwirtschaft betrieben werden, um wirksam zu sein? Mit dieser Frage beschäftigt sich seit langem der Immobilienökonom Prof. Dr. Ramón Sotelo, der an der renommierten Bauhaus-Universität Weimar lehrt. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Immobilienökonomie (ZIÖ) sowie des European Journals of Real Estate Research. Sotelo engagierte sich in den Vorständen der European Real Estate Society (ERES) und der International Real Estate Society (IRES). Von der Mietpreisbremse und politisch manipulierten Mietspiegeln hält er gar nichts.

AIZ-Immobilienmagazin: Sie sprechen von einer verschärften Wohnungssituation in Wachstumsregionen. Wie kam es Ihrer Meinung nach zu dieser Entwicklung?

Prof. Dr. Ramón Sotelo: Die Wohnungsfrage hat sich in den letzten Jahren zu einem zentralen gesellschaftlichen Problem entwickelt, besonders in den Metropolregionen. Die Kombination aus hoher Nachfrage, begrenztem Angebot und einer rigiden, teilweise kontraproduktiven Regulierung, insbesondere im Mietpreisrecht, hat die Situation verschärft. Der Wohnungsbau konnte mit dem Bevölkerungswachstum nicht Schritt halten.

Sie kritisieren die Mietpreisbremse und sprechen davon, dass der Mietwohnungsmarkt „faktisch abgeschafft“ sei.

Die Mietpreisbremse war ein dümmlicher Versuch, die Mieten in wachstumsstarken Regionen zu stabilisieren. Sie hat das Gegenteil bewirkt. Statt den Markt zu entlasten, hat sie ihn eingefroren. Es gibt kaum noch Wohnungen, die zu den regulierten Mieten angeboten werden. Zugleich wohnen die, die eine Wohnung haben, im Zweifel in einer zu großen Wohnung. Das führt dazu, dass die Nachfrage das Angebot bei weitem übersteigt und Menschen gezwungen sind, in anderen Städten nach Wohnraum zu suchen. Die Intransparenz über die tatsächlichen markträumenden Mieten macht es unmöglich, das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage herzustellen.

Welche Rolle spielen dabei die Mietspiegel?

Mietspiegel bilden nicht mehr die Realität der Märkte ab, sondern stellen eine politisch manipulierte Miete dar, die weit unter dem liegt, was Angebot und Nachfrage in Einklang bringen würde. In Städten wie Berlin ist es nahezu unmöglich, eine Wohnung zu den im Mietspiegel festgelegten Mieten zu finden. Dieser künstlich geschaffene Mangel führt zu einer gefühlten Wohnungsknappheit, die das Problem verschärft.

Sie sagen, dass vielleicht gar nicht so viele Wohnungen fehlen. Was meinen Sie damit?

Empirische Studien aus Städten wie Stockholm und Zürich zeigen, dass der Unterschied zwischen Bestands- und Neuvermietungsmieten zu einem übermäßigen Verbrauch von Wohnfläche führt. Wenn die Differenz zu groß wird, neigen Menschen dazu, mehr Wohnraum zu belegen, als sie eigentlich benötigen. Für Berlin bedeutet das, dass rund 300.000 Wohnungen durch eine effizientere Nutzung freigesetzt werden könnten. Der wirkliche Engpass liegt also oft in zu hohen Absorption von Flächen aufgrund künstlich reduzierter Mieten.

Wie wirkt sich diese Intransparenz auf Investitionen im Wohnungsbau aus?

Die Unsicherheit darüber, was eine markträumende Miete eigentlich ist, wirkt wie Gift auf den Wohnungsneubau. Investoren können nicht abschätzen, wie sich die Mieten entwickeln werden, da die offiziellen Vergleichsmieten im Mietspiegel oft nicht den realen Bedingungen entsprechen. Niemand möchte in einen Markt investieren, in dem die Rahmenbedingungen so unklar und von politischen Entscheidungen abhängig sind.

Sie plädieren für eine Abschaffung der Mietpreisbremse?

Die Lösung liegt in einem funktionierenden Wohnungsmarkt, der von transparenten Preisen und einem klaren Angebot-Nachfrage-Gleichgewicht geprägt ist. Statt auf strenge Mietregulierungen zu setzen, sollten wir den Markt freier gestalten und gleichzeitig zielgenaue Fördermaßnahmen für bedürftige Haushalte einführen und die Objektförderung von den Belegungsrechten lösen. Die Subjektförderung, also direkte Subventionen für Mieter, wäre eine viel effizientere und gerechtere Methode, um Haushalten, die sich bestimmte Wohnungen nicht leisten können, zu helfen. Diese Form der Förderung kann flexibel angepasst werden, sobald die Bedürftigkeit entfällt, und der Mieter muss nicht umziehen.

Wie sollte die öffentliche Wohnraumförderung gestaltet werden?

Der soziale Wohnungsbau in der derzeitigen Form ist ineffizient, teuer und sozial ungerecht. Zum einen wird Wohnraum nach dem Kostenprinzip subventioniert, was zu einer enormen finanziellen Belastung führt. Zum anderen profitieren nur wenige Haushalte, während andere leer ausgehen. Eine marktgerechte Lösung wäre es, Belegungsrechte von privaten Vermietern pro rata temporis zu erwerben. So könnten Gemeinden zeitlich befristete Belegungsrechte durch öffentliche Ausschreibungen von Bestandshaltern erwerben, ohne dass teure Neubauten erforderlich wären.

Worauf sollte sich die Wohnungspolitik konzentrieren?

In einer sozialen Marktwirtschaft sollte die Wohnungspolitik drei Hauptziele verfolgen. Erstens: die angemessene Versorgung von Haushalten, die grundsätzlich Zugang zum Mietmarkt haben, sich aber bestimmte Wohnungen nicht leisten können. Hierzu dient eine bedarfsgerechte Subjektförderung, die flexibel angepasst werden kann. Zweitens: die Versorgung von Haushalten, die aufgrund ihrer Merkmale keinen oder nur eingeschränkten Zugang zum Mietmarkt haben. Dieses Ziel erreichen wir, indem die Kommunen Belegungsrechte auf dem freien Markt erwerben, statt teure Neubauten zu errichten. Drittens: die Ausweitung des Wohnungsangebots durch Neubau. Hierfür werden den Investoren Subventionen im Rahmen von Ausschreibungen gewährt, bei denen festgelegt wird, welche Wohnungsgrößen und -arten in welchen Gebieten gebaut werden sollen.

Sie kritisieren, dass der Neubau nach dem Kostenprinzip teuer und sozial ungerecht ist. Warum?

Neubauten nach dem Kostenprinzip sind eine teure Lösung, die außerdem sozial ungerecht sind. Haushalte, die die Kriterien für eine geförderte Neubauwohnung erfüllen, erhalten erhebliche wirtschaftliche Vorteile, während Haushalte, die knapp über den Einkommensgrenzen liegen, gar keine Unterstützung erhalten. Das schafft Spannungen und verstärkt Ungleichheiten. Außerdem bleibt der Mieter, der einmal in eine geförderte Wohnung eingezogen ist, unabhängig von seinem späteren Einkommen über Jahre hinweg im Vorteil, ohne dass es eine Möglichkeit gibt, die Wohnung wieder freizumachen.

Sie sprechen von einer „Separation der Maßnahmen“. Warum ist das so wichtig?

Es ist entscheidend, dass die Maßnahmen für die drei genannten wohnungspolitischen Ziele klar voneinander getrennt werden. Die Versorgung von Haushalten mit Wohnraum und die Ausweitung des Angebots müssen unterschiedlich angegangen werden. Wenn wir versuchen, diese Ziele mit ein- und derselben Maßnahme zu erreichen, entstehen Ineffizienzen und Widersprüche. Zum Beispiel wird der soziale Wohnungsbau oft als Allheilmittel gesehen, obwohl er für die meisten Probleme viel zu teuer und unflexibel ist.

Welche Rolle spielt die Ausweisung von Bauland in Ihrer Strategie?

Bauland ist der Schlüssel, um das Wohnungsangebot zu erweitern. Allerdings wird Baurecht nicht durch den Markt, sondern durch politische Entscheidungen geschaffen. Um den Kommunen Anreize zu geben, sollte öffentliche Wohnraumförderung an die Ausweisung von Bauland geknüpft werden.

Was wären die Vorteile einer solchen marktorientierten Wohnungspolitik?

Erstens würde sie die Angebotsausweitung effizienter gestalten, indem sie die Kosten für den Staat senkt. Zweitens würde eine marktorientierte Wohnungspolitik zu einer gerechteren Verteilung von Wohnraum führen, da Subventionen nicht mehr mit der Gießkanne verteilt würden. Drittens könnten wir auf diese Weise auch die soziale Durchmischung fördern, indem wir den Bau von Wohnungen in unterschiedlichen Preiskategorien unterstützen.

Veröffentlicht im AIZ-Immobilienmagazin, AIZ 11 / 2024

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Der Beitrag „Wohnungspolitik braucht Markt und gute Regulierung“ erschien zuerst auf IVD.

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